Australien führt ‚Recht auf Abschalten‘ für Arbeitnehmer ein
Australien hat ein neues Gesetz verabschiedet, das Arbeitnehmern in mittleren und großen Unternehmen das Recht einräumt, nach Feierabend nicht mehr erreichbar zu sein, um ihre psychische Gesundheit zu schützen und die Work-Life-Balance zu verbessern.
Im digitalen Zeitalter, in dem wir durch ständige Erreichbarkeit oft überfordert sind, passiert jetzt etwas Grundlegendes in Australien: Ein neues Gesetz tritt in Kraft, das es Millionen von Arbeitnehmern erlaubt, nach Feierabend „abzuschalten“. Dies bedeutet, dass sie nicht mehr für ihre Chefs erreichbar sein müssen und nicht auf Nachrichten oder Anrufe reagieren müssen, es sei denn, es handelt sich um einen Notfall.
Das sogenannte „Fair Work Legislation Amendment“, das im Februar vom Parlament verabschiedet wurde, kommt für Beschäftigte in mittleren und großen Unternehmen sofort zur Anwendung. Die neuen Bestimmungen gestatten es den Arbeitnehmenden, ihre Mobiltelefone nach Dienstschluss auszuschalten. Für kleinere Unternehmen mit weniger als 15 Angestellten gelten diese Regelungen jedoch erst in einem Jahr.
Die Bedeutung der neuen Regelung
Premierminister Anthony Albanese hat dieses Gesetz als wichtigen Schritt für die psychische Gesundheit der Menschen hervorgehoben. „Wir möchten sicherstellen, dass Menschen, die nicht 24 Stunden am Tag bezahlt werden, auch nicht 24 Stunden am Tag arbeiten müssen“, erläuterte er in einem Interview mit dem australischen Rundfunksender ABC. Diese Gesetzgebung wird als Ansatz gesehen, um die Work-Life-Balance zu verbessern, die in Australien laut Studien schlechter abschneidet als in vielen anderen Ländern.
Die Relevanz dieser Reform wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass in mehreren Ländern bereits ähnliche Gesetze bestehen. In Frankreich beispielsweise sind größere Unternehmen seit 2017 gesetzlich verpflichtet, ihren Mitarbeitern ein „Recht auf Abschalten“ einzuräumen. Solche Bestimmungen sollen verhindern, dass Arbeitnehmer durch ständige Erreichbarkeit im Job gestresst und überlastet werden.
Trotz der allgemeinen Zustimmung für das Gesetz gibt es jedoch auch kritische Stimmen aus der Wirtschaft. Der Industrieverband Ai Group bezeichnete die Reform als „übereilt, schlecht durchdacht und sehr verwirrend“. Dies könne dazu führen, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer unsicher darüber sind, wie sie in bestimmten Situationen reagieren sollen, besonders wenn ein Anruf außerhalb der Arbeitszeit notwendig ist – etwa um Unterstützung für eine zusätzliche Schicht zu erhalten.
In Australien soll das Gesetz die Arbeitskultur revolutionieren und gleichzeitig die psychische Gesundheit der Beschäftigten fördern. Durch den Schutz der Freizeit hoffen die Behörden, dass die Mitarbeiter sich besser auf ihre Familien und ihr Leben außerhalb der Arbeit konzentrieren können. Immer mehr Menschen erkennen, dass der mentale und emotionale Zustand entscheidend für die allgemeine Lebensqualität ist. Studien belegen, dass Menschen, die in einem ausgewogenen Verhältnis von Arbeit und Freizeit leben, produktiver und zufriedener sind.
Außerdem zeigt der Trend in anderen Ländern, dass nationale Regelungen zur Erreichbarkeit während der Freizeit nicht nur möglich, sondern notwendig sind, um den Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht zu werden. Das australische Beispiel könnte somit als Vorbild für weitere Länder und Regionen dienen, die ähnliche Probleme in ihrer Arbeitsweise haben.
Was die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland betrifft, so müssen Arbeitnehmer hier nicht unbedingt außerhalb der Arbeitszeit erreichbar sein, sofern ihre Arbeitszeiten klar festgelegt sind. Allerdings gibt es Ausnahmen, wie Beispiel die Bereitschaftsdienste, bei denen Beschäftigte jederzeit einsatzbereit sein müssen. Auch Führungskräfte sind häufig vertraglichen Verpflichtungen unterworfen, die eine Erreichbarkeit außerhalb der regulären Arbeitszeiten anmelden.
dpa/AFP/krei